Als ich dieser Tage wieder mit meiner achtjährigen Tochter und deren gleichaltrigen Freundin unseren Spielplatz vom Dienst aufsuchte, war der Zaun weg. Ein wuchtiger, hölzerner Jägerzaun. Nicht zu übersehen und nicht zu übergehen. Jahrzehntelang grenzte er den Spielplatz von einem Geh- und Radweg ab. Das Phänomen dabei: Dass der Zaun auf einmal verschwunden war, fiel ausser mir niemandem auf, und das auch nur, weil ich dort immer das Fahrrad angelehnt hatte.
Ich fragte meine Tochter, ob etwas fehle beim Platz. Sie schaute sich lange fragend um, doch auf den Zaun kam sie nicht. Auch ihrer Freundin ging nichts ab. Schließlich wiederholte ich das Experiment mit einer Bekannten, die neben dem Spielplatz wohnt. Sie kam mit dem Rad des Weges wie hundertemale schon. Als sie wegen uns Halt machte, fragte ich sie nach einer Weile, ob was anders sei bei dem Platz. Und wieder das Phänomen: Auch sie kam trotz langer Umschau nicht auf den alten Zaun. Von sich aus nahm sie die plötzliche Lücke nicht wahr. Wir überlegten noch, wofür’s einen Zaun an der Stelle gebraucht hat. Ein unumstößliches Argument wollte uns nicht einfallen.
Der abmontierte Spielplatzzaun kann natürlich als Metapher gesehen werden. Fragen wir uns, wo Abgrenzungen wirklich sein müssen. Abgrenzungen aller Art: Von Territorien und Revieren bis hin zu Menschen und Meinungen.
Als die EU den Schengenraum schaffte ohne Grenzstopps, Pass- und Zollkontrollen, konnten sich das viele nicht vorstellen. Heute kann sich niemand mehr Ländergrenzen mit den einst zeit- und nervenfressende Warteschlangen vorstellen.
Ich hoffe, dass der Spielplatzzaun nicht wiederkommt. Es wäre nicht nur eine physiche Barriere weniger in meinem dörflichen Bewegungsraum, sondern auch ein nicht zu unterschätzendes Lernbeispiel für ein offeneres Miteinander.