Deutschlands führender Managementberater Reinhard K. Sprenger (*1953, „Mythos Motivation“, „Das anständige Unternehmen“) beschreibt in einem Interview mit der österreichischen Tageszeitung Der Standard neoliberale – freilich als „anständig“ getarnte – Betriebskulturen. Man denkt sich, das kommt einem verdammt bekannt vor:
„Unternehmen agieren zunehmend, als seien sie Kirchen oder Umerziehungsheime. In der Logik der Vorsorge – der Zukunftsvorsorge, der Risiskovorsorge, der Gesundheitsvorsorge – machen sie durch vielfältige Prozeduren den Mitarbeiter zum Objekt, das ’noch nicht‘ ist, noch nicht ganz vollständig, noch nicht perfekt. Viele Institutionen – und das ist das perfide Verdrehte und Verwirrende daran – maskieren sich dabei mit Menschenfreundlichkeit und Vernunft. Wer mag noch gegen den Feedbackterror die Stimme erheben, gegen die Frauenquote, gegen die obszönen Mitarbeiterbefragungen, gegen den Du-Zwang, gegen die Infantilisierung von Erwachsenen, die sich heute ‚Coaching‘ nennt? Umzingelt von fürsorgenden, hilfreichen und wohlmeinenden Institutionen geben viele Menschen völlig freiwillig und arglos ihre Freiheit zugunsten eines Optimierungstraumes auf, aus dem sie vielleicht nicht mehr erwachen werden. Oder eben doch, wenn wir den Anstand durch Abstand wieder ernst nehmen.“